Macher an der Man´s World

Steampunk Künstler an der Man`s World

Wie würde ein Computer ausschauen, wenn man ihn Ende des 19 Jh. gebaut hätte?

Steampunk ist eine Art sich zu kleiden, sich zu verhalten oder Gegenstände zu gestalten. Für die einen ist es ein Hobby, für andere eine Lebenseinstellung. Ende der Achtziger Jahre identifizierten Verleger von Fantasy und Science-Fiction zwar die Bewegung, wussten aber nichts darüber. Also schöpften sie einen Namen, der gut klang und passend schien.

Im Gegensatz zu Cyberpunk beschäftigt sich Steampunk nicht mit einer Zukunft, in der Menschen und Technik verschmelzen, sondern mit alternativer Vergangenheit. Was hätte sein können, wenn Entdeckungen früher oder später gemacht worden wären. Wenn Königreiche nicht gefallen, Kolonien gehalten oder Machtverhältnisse anders wären, wenn Computer vor Plastik oder die Atomkraft im Wilden Westen existiert hätte. Die vorstellbaren historischen Alternativen sind endlos.

Dies könnte man «Retro-Science-Fiction» nennen. Damit sind zumindest die optischen und technischen Aspekte des Genres erfasst, die Dan Aetherman, dem Steampunk Artist an der Man`s World, besonders wichtig sind. Es geht um Technik, die an sich modern ist, aber im viktorianischen Stil gebaut wurde. Holz, Messing, Glas und Kupfer mechanisch verbunden.

Für Dan, der sich selbst als Urgestein des Genres bezeichnet, ist Steampunk auch ein Statement. Dan ist einer der Künstler, die Ende Achtziger Jahre damit angefangen hatten, Steampunk zu machen ohne es so zu nennen.

Ich treffe mich an einem Bahnhof Dan in der Nähe seines Arbeitsorts. Man muss ihn nicht speziell darum bitten, für ein Foto seinen Zylinder zu tragen – er trägt ihn sowieso. Und genauso selbstverständlich sticht er aus der Bevölkerung heraus. Wie ein Zeitreisender, der eben angekommen ist und seine Umwelt historisch einzuordnen versucht.

Ich lächle ihm zu. Ich mag es, wenn man sich erkennt, obwohl man sich noch nie gesehen hat. Bei Dan funktioniert es nicht. Er ist es gewohnt, dass man ihn anlächelt. Anderen Leuten erscheint er vermutlich verkleidet. Dan ist aber nicht verkleidet.

Er war schon als Kind von alter Technik fasziniert und hat in Elektroschrott-Mulden nach spannenden Teilen gesucht, die er zum Basteln verwendete. Diese Leidenschaft machte ihn zu einem wunderlichen Aussenseiter auf dem Pausenhof, wie er sich selbst beschreibt:

«Ich war eigentlich immer ein Aussenseiter, der verrückte Bastler, der immer wieder was Schräges, Gefundenes oder Zusammengesetztes in die Schule mitbringt.»

Für den gelernten Lebensmitteltechniker und ehemaligen Maître Chocolatier bei Lindt ist Steampunk eine Lebenseinstellung. Er bezeichnet sich als Steampunker, da er Steampunk lebt und sich trotz seines auffallenden Lederzylinders mit Schweisserbrille als Hutband, Stahlkappenstiefeln, Weste und Hemd im Stil des ausgehenden neunzehnten Jahrhunderts, nicht als verkleidet versteht. «Ich laufe immer so rum - nicht nur an der Comic-Messe», klärt er mich auf.

«Steampunk ist eine Gegenbewegung zur Konsum- und Wegwerfgesellschaft Ich schaue mir die Funktionsweise von Geräten an und frage mich: Wie kann ich das lösen ohne Tausende von Franken auszugeben und ohne High-Tech in den Apparat einzubauen? Ich frage mich beispielsweise: Wie sähe ein Computer aus, hätte man ihn Ende des 19 Jh. gebaut?»

Der Aetherman sucht sich Teile, die er braucht, meist im Abfall. Nur ausnahmsweise kauft er Bestandteile. Schrauben seien schwierig zu finden, ebenso Platinen oder Kabel. Für solche Notlösungen hat sich Dan ein Limit von 50 Franken pro Objekt gesetzt. Dan verkauft seine Kunst nicht. Er träumt von einem Steampunk-Museum, das gleichzeitig Treffpunkt würde, wo man sich austauschen und gemeinsam basteln könnte. Zurzeit grübelt er an einer Energiequelle für dieses Museum, die aus der Verbindung eines Standard-Generators mit einer Dampfmaschine besteht. Ein anderes aktuelles Projekt ist, nach einer Nachbildung von R2-D2, dem Androiden aus Star Wars, nun eine lebensgrosse Kopie des Artgenossen «Chopper» zu bauen.

Für die Man`s World plant Dan aus diesem Androiden einen fahrbaren Kühlschrank zu bauen. Als ich ihn darauf anspreche, meint er: «Das war mal der Plan. Ich habe gerade ein paar schöne Teile gefunden, vielleicht wird es jetzt etwas Anderes».

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